Pressestimmen zur Entwaffnung der Sportschützen

"Süddeutsche Zeitung", Kommentar von Joachim Käppner, 16. März 2009
"Weniger Waffen, mehr Sicherheit - Der Politik fehlt angesichts des Wählerpotentials der Schützen der Mut wirklich durchzugreifen. Dann müßte sie das Schießen mit scharfen Waffen im Verein schlicht untersagen. Für sportliche Zwecke würden genug Luftpistolen, Wettbewerbsgewehre und ähnlich harmlose Schießwerkzeuge übrigbleiben."

"Stern", Kommentar von Chefredakteur Andreas Petzold, 19. März 2009, Seite 1
"Es gibt etwa 15.000 Schützenvereine in Deutschland, heimatverbunden, friedlich und eine Talentschmiede für die olympischen Schießdisziplinen. Die Politik war und ist zu feige, um sich mit dieser urdeutschen Tradition richtig anzulegen. Aber eine Frage drängt sich auf: Warum eigentlich muß all das mit scharfer Munition geschehen, die tödlich sein kann? Geht es nicht eine Nummer kleiner? Wer über Konsequenzen debattiert, sollte auch die Sicht der Eltern einnehmen, deren Kinder in der Schule kaltblütig erschossen wurden. Was sind dagegen lieb gewonnene Traditionen und ein paar Goldmedaillen?"
Darf es ein Halbautomat sein oder gleich eine Kanone?

"Der Spiegel", Titelgeschichte vom 23. März 2009
"Bewaffnete Republik Deutschland. Vom lebensgefährlichen Unsinn privater Schußwaffen - Selbst nach der Amoktat von Winnenden scheuen die Volksparteien scharfe Beschränkungen. Zu stark sind sie mit der Waffenlobby verbandelt, zu groß ist die Furcht vor den Wählern. (...) Eine Tat wie die in Winnenden zählt dann zu den Folgen jener Freiheit, die sich die Waffennarren herausnehmen, die Behörden zulassen, die die Waffenlobby verteidigt. Schon seit Jahrzehnten, und das fast immer erfolgreich."

FAZ, Leitartikel von Christian Geyer, 23. März 2009
"Verhindern lässt sich gar nichts. Aber erschweren lässt sich sehr viel. Und darum, ums Erschweren, nicht ums Ausschalten von Unerwünschtem, kann es bei Fragen der angemessenen Prävention nur gehen. Der Hinweis aufs Nichtverhinderbare ist das bequeme konservative Argument aller Besitzstandswahrer. Die Waffenlobby führt es im Augenblick besonders frech im Munde. Wenn ihr vorgehalten wird, das derzeit gültige Waffengesetz sei ein Witz, weil im Grunde jeder, der das Bedürfnis dazu hat, an eine großkalibrige Knarre komme - dann hört man das 'Argument': Ich bitte Sie, verhindern lässt sich doch sowieso kein Verbrechen."

"Panorama" (ARD), 26. März 2009
"Mordwaffen statt Sportwaffen - Aufrüstung im Schützenverein: Ein bisschen schießen, Traditionen pflegen und hoffentlich einmal im Leben Schützenkönig sein. So präsentieren Schützenvereine gerne ihre scheinbar heile Welt. Doch unter dem Deckmantel des Sports tummeln sich in den Verbänden immer mehr Waffennarren. Statt mit eher harmlosen Luftgewehren trainieren sie - ganz legal - mit Großkaliberrevolvern, halbautomatischen Militärpistolen und Sturmgewehren. Lautstark wehren sie sich gegen eine Verschärfung des Waffenrechts, und ihre Lobby macht Druck auf die Politik. Panorama über das gefährliche Hobby deutscher Waffenfetischisten und Politiker, die nichts dagegen unternehmen." (NDR-Pressetext)

"Die Zeit", Leitartikel von Susanne Gaschke, 26. März 2009, Seite 1
"Aber so leicht wird sich diese Gesellschaft nicht ändern. Die Tränen der Fernsehzuschauer werden kaum getrocknet sein, da wird die Waffenlobby wieder tausend Gründe finden, warum es einer Menschenrechtsverletzung gleichkommt, wenn Sportschützen ihre Munition im Verein oder bei der Polizei lagern müssen, getrennt von ihren Waffen. (...) Der andere Verlauf, das ist der unwahrscheinlichere. Aber es ist immerhin möglich, dass die leisen Stimmen der Eltern von Winnenden eine Sekunde der Stille erzwingen. (...) Das hieße, dass massenhaft Einzelne - in Redaktionen, auf Elternversammlungen, in Bundestagsausschüssen - anfangen müssten, sich gegen einen Anspruchs- und Gleichgültigkeitsliberalismus zu stellen, der jedem sein Hobby gönnt, seine großkalibrige Waffe, seine Pornofotos, sein Internetmobbing. Da ginge es um eine Haltung des kollektiven, freiwilligen, aber eben verbindlichen Verzichts: Weil Killerspiele und Horrorvideos und besonders echte Beretta-Pistolen nicht gut sind für gefährdete Jugendliche, müssten alle Konsumenten ihren Umgang damit mäßigen."

"stern.de", Kommentar von Sönke Wiese, 8. Mai 2009:
"Die Waffennarren lachen sich kaputt. Die geplante Änderung des Waffenrechts ist ein Paradebeispiel für Placebo-Politik: Sie bewirkt nichts, aber man tut so, als ob man etwas täte. Denn die Regierung will der Bevölkerung nach dem schockierenden Amoklauf von Winnenden sicherlich Beruhigungspillen verabreichen. Gleichzeitig dürfen die Maßnahmen aber einer wichtigen Interessengruppe keinesfalls ernsthaft wehtun: den Sportschützen. (...) Die Regierung hätte sich ein Beispiel an Großbritannien nehmen sollen: Dort griff der Staat 1997 nach einem Amoklauf konsequent durch und verbot großkalibrige Waffen komplett.“ (PS: Und kleinkalibrige Waffen kurz darauf.)

"stern.de", 14. Mai 2009:
"Die schlimmsten Amokläufe, die Deutschland in den letzten Jahren erlebt hat, haben Parallelen. Die jugendlichen Täter agierten wie professionelle ´Killer´, mit Schusswaffen, die legal erworben worden waren. (...) Zwar herrscht Einigkeit darüber, dass auch ein schärferes Waffenrecht nicht jeden Amoklauf verhindern kann, weil Gesetze nichts an den offensichtlichen psychischen Problemen solcher Täter ändern können. Aber das bestehende Waffenrecht hatte es den Amokläufern von Erfurt und Winnenden sehr leicht gemacht. Sie hatten das gezielte Töten mit Schusswaffen vorher gelernt."

"Süddeutsche Zeitung", stellv. Chefredakteur Kurt Kister, 14. Mai 2009:
"Simulation eines neuen Waffenrechts: Die große Koalition gibt vor, als Antwort auf den Amoklauf von Winnenden die Verschärfung des Waffenrechts anzustreben. In Wirklichkeit hat der Kompromiss, den Innenpolitiker aus Union und SPD nun gefunden haben, nur eine Bedeutung: Er zeigt, wie schlecht Politik sein kann. Die Koalition hat weder den Willen noch die Kraft, jene Waffen, mit denen getötet wird, effektiv zu kontrollieren, ganz zu schweigen vom Verbot. Stattdessen verständigt man sich auf symbolistische Kinkerlitzchen wie den Bann des Militärspiels Paintball. (...) Weder ein Jäger noch ein Scheibenschütze muss für sein Hobby eine 19-schüssige Selbstladepistole mit Stangenmagazin und schnellster Schussfolge besitzen. Die Innenpolitiker der Koalition, vor allem der Union, schrecken vor einem solchen Verbot zurück. Sie knicken ein vor Jägern, Schützen und Waffenfirmen, die vor jedem Amoklauf beteuern, dass alles unter Kontrolle sei, und nach jeder Bluttat sofort rufen: Das hat aber nichts mit dem Waffenrecht zu tun! Hat es doch – nicht die mörderische Gesinnung des Amokläufers, wohl aber die viel zu leicht zugänglichen Mordinstrumente. (...) Das ist keine Politik, sondern deren Simulation."

"Die Tageszeitung", Kommentar von Ulrich Schulte, 14. Mai 2009:
"Die Koalition hat beim Waffenrecht das Kunststück vollbracht, jeden, wirklich jeden sinnvollen Vorschlag treffsicher zu ignorieren. Sie tastet das Recht der Bürger nicht an, sich hocheffiziente Tötungsinstrumente anzuschaffen, nach gründlicher Ausbildung natürlich. Sie erkennt vorbehaltlos an, dass die Bürger diese scharfen Waffen und hunderte Schuss Munition zu Hause horten, ein Wegschließen an Sammelstellen hält sie für unzumutbar und gefährlich. Sie teilt die Auffassung der Schützenverbände, dass für den deutschen Schießsport große Kaliber mit hoher Durchschlagskraft unverzichtbar sind. (...) Aber die missglückte Reform des Waffenrechts bedeutet glücklicherweise nicht das Ende der Debatte, es kann vielmehr ein Anfang sein. Wenn Politik keine adäquaten Antworten findet auf das Blutbad, dann findet die Zivilgesellschaft vielleicht bessere."

"Nürnberger Nachrichten", Kommentar von Alexander Jungkunz, 15. Mai 2009
"Peinlich: Anders kann man es kaum bezeichnen, was die große Koalition zum Thema ´Waffenrecht´bietet. (...) Echte Verschärfungen oder gar Einschränkungen beim Besitz besonders gefährlicher Waffen packt die Regierung nicht an. (...) Angesichts des Aufschreis treuer Wähler zuckt sie zusammen. Ein Trauerspiel. Und nach der nächsten Bluttat werden wir seine Wiederholung erleben."

"Der Spiegel", 18. Mai 2009:
"Nach Winnenden schien ein schärferes Waffenrecht machbar. Nun wird es ein Reförmchen – die Schützenlobby ist zu stark. (...) Vorausgegangen war das, was immer geschieht, wenn Politiker sich hierzulande mit dem Waffenrecht befassen – sie geraten unter Dauerbeschuss von Schützenvereinen, Jagdverbänden, Industrie und Waffennarren (...). An die Kernfrage, ob der Besitz von scharfen Waffen in Deutschland wie ein Grundrecht zu behandeln ist und in Schießsportverbänden mit Großkalibern geschossen werden muss, wagte sich die Bundesregierung wieder nicht heran."

Ines Geipel, Autorin, im "Deutschlandfunk" am 12. März / 12. Mai 2009:
"Für uns ist das nicht Normalität, dass ein Schüler in die Schule geht und die Eltern annehmen müssen, dass er nicht lebend zurückkommt. Wo leben wir denn? / Warum verzichten die Schützenvereine nicht auf diesen luxuriösen Spaß, um die Kinder im Land zu schützen? Wir haben ermordet Kinder an deutschen Schulen zu betrauern ..."

Klaus Jansen, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, in "Der Kriminalist" (5/09):
"Eltern, die aufgrund der allgemeinen Schulpflicht jeden Morgen ihre Kinder in die Obhut (Synonyme: Fürsorge, Pflege, Schutz, Geborgenheit, Sicherheit) geben (müssen), müssen darauf vertrauen können, ihre Kinder am Abend wieder in die Arme schließen zu können. Ein ´Weiter so, wie bisher!´ darf es nach Winnenden nicht geben! Der Staat muss die Sicherheit in Schulen garantieren!"

Wolfgang Schmidbauer, Psychoanalytiker, nach dem Amoklauf in Winnenden:
"Eine der Merkwürdigkeiten im Umgang der Medien mit dem jüngsten Amoklauf eines Schülers war die lang anhaltende und zickig wirkende Debatte, ob es gut oder schlecht gewesen sei, eine gefälschte Internet-Botschaft unter die Leute zu bringen. Dieses Detail, das viele Druckseiten gefüllt und Sendeminuten verschluckt hat, verrät vielleicht mehr als viele andere die ganze hilflose Augenwischerei im Umgang mit solchen Ereignissen. Es wurde gestritten, als würde eine fiktive Botschaft in einem Blog ein existenzielles Geheimnis über die Tat enthüllen, während doch das wahre Problem ist, dass wir längst genug wissen, uns aber den Konsequenzen nicht stellen wollen. Wer sich das klar macht, kann mit gespieltem Entsetzen nicht mehr viel anfangen. Sie sind mitten unter uns, unsere Kindersoldaten. Vorzugeben, es sei jede dieser narzisstischen Explosionen unvorhersehbar und die große Ausnahme, ist so klug, wie zu behaupten, jeder wisse doch, dass Schwefel, Kohle und Salpeter für sich genommen ganz harmlos sind; also sei die Explosion eines Gemischs aus diesen Stoffen auch nicht vorauszusehen. Ohne Schusswaffen gibt es keine Kindersoldaten."


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